Colour der Gespannfahrer Bayern Aller Anfang
ist schwer!

Hier erzählt Claus-Dieter Ecker, ein erfahrener Motorradfahrer, wie er den "Einstieg in die dritte Dimension" erlebt hat, weil er sich entschlossen hat, ein drittes Rad beim Motorradfahren mitzuführen.


Mein Entschluß, Gespann zu fahren, liegt schon mehrere Jahre zurück. Doch es hatte sich einfach nichts Passendes ergeben. Entweder waren die besichtigten Objekte fahrbare Baustellen, oder sie waren zu teuer. Ich wollte eigentlich nicht mehr als ca. 15.000 Mark ausgeben. Natürlich hätte ich auch eine meiner Solomaschinen umbauen können, aber das wäre unterm Strich genau so teuer geworden wie ein gebrauchtes Gespann.

Doch im Juli 1999 kam der Tag X. Während einer Nachtschicht blätterte ich den neusten Kfz-Markt durch, und da las ich: XJ 900/EML-Midi, 43.000km, Bj 87/94 14.700DM. Sofort am nächsten Tag hing ich am Telefon und machte für den Abend einen Besichtigungstermin in Welshofen aus, schlappe 40 km von München entfernt. Und da stand es: Fast wie neu, ohne irgendwelche Mängel. Klar, dass sofort der Kaufvertrag ausgefüllt wurde. Da der Verkäufer, Uli Jacken, nicht nur Side-Bike-Händler, sondern auch Instruktor ist, konnte ich auch noch Übungsstunden aushandeln. Meine Gespann-Erfahrung war bis dato nämlich gleich Null.

Am darauffolgenden Wochenende war es soweit: Meine erste Fahrstunde auf drei Rädern sollte beginnen. Ganz ehrlich: nach 17 Jahren Erfahrung mit Solomaschinen und 800.000 Kilometern Sommer wie Winter mit Bikes unterwegs hatte ich doch jede Menge Respekt vor dem Gespannfahren. Mir ging auf gut deutsch die Muffe!!! Ich hatte mir auch vorgestellt, der Instruktor und ich fahren mit dem Gespann zu einem Übungsplatz - ich zunächst natürlich im Beiwagen - und dort beginne ich dann in Ruhe zu üben. Aber von wegen! Nachdem die rote Nummer an der Yamaha angebracht war, schob der Uli sein eigenes Gespann heraus, meinte locker "Es ist nicht weit, fahr einfach hinter mir her." Also ich rauf auf das Teil. Und schon kam die erste Korrektur: Man steigt auf ein Gespann nicht wie auf eine Solo, sondern linker Fuß zuerst auf die Raste , kann ja nicht umkippen. Ach ja, hab ich glatt vergessen. Bis zum Einlegen des ersten Ganges war alles ganz normal, aber seltsamerweise fuhr das Gefährt beim Losfahren immer nach links , was ja eigentlich jeder Fahrphysik widersprach. Nach 3 bis 4 Versuchen hatte sich meine Ausgangsposition Richtung Hofausfahrt extrem verschlechtert - ich stand fast im Gartenzaun. Ich kam einfach nicht nach rechts und stellte fest, dass ich schon pro forma viel stärker gegenlenkte als eigentlich nötig war. Endlich schaffte ich es doch irgend wie raus auf die Straße. Dort ging's noch ein bißchen nach links (das kam mir entgegen!) und dann nur geradeaus . Es schlingerte zwar wie verrückt, aber ich legte mutig den 2. Gang und raste mit ca. 10 km/h durch Welshofen. Zum Glück war meine Freundin mit dem Auto dabei und gab mir mit Warnblinklicht und jeder Menge Blech Rückendeckung.

Dummerweise änderte sich nun die Straßenführung um etwa 10 Grad nach rechts, und erschwerend kam ein Gefälle von 2% dazu. Fatal: Trotz aller Bemühungen fuhr das Gespann mit mir konstant immer mehr nach links. Und noch mehr und noch mehr. Da nahte schon der Straßengraben. Jetzt half nur noch eins: BREMSEN! Meine Wahnsinnsgeschwindigkeit war auch gleich abgebaut und so Erkundungen der Botanik verhindert, doch nun stand ich ungünstigerweise leicht quer - und das auch noch auf der falschen Fahrbahnseite. Gott sei dank hatte der Uli wirklich abgelegene Straßen ausgesucht und es kam kein Gegenverkehr. Das anschließende Anfahren gestaltete sich unproblematisch, ich konnte mich wieder in den Troß einreihen und Uli hinterhersausen. Nach 2 Kilometern und weiteren 15 Minuten war auch schon der Übungsplatz erreicht und ich hatte endlich eine Zigarettenpause!

Dann ging's los: Damit ich ein Gefühl für das Gespann bekomme, sollte ich als erstes geradeaus fahren, aber so weit rechts wie möglich. Zu diesem Zweck wurden am rechten Fahrbahnrand halbe Tennisbälle ausgelegt, die ich mit dem Seitenwagen-Rad treffen sollte. Außerdem lernte ich, dass man mit einem Gespann rechts herum wendet. An schwierige Aufgaben muß man sich langsam herantasten, weshalb ich erst mal mit einem guten halben Meter Abstand anfing. Am Ende der Übungsstrecke war jetzt erstmals eine Rechtswendung angesagt, was mir mit nur einmal Rangieren auch gelang. Wieder retour zum Instruktor. Dort wurde mir erklärt, dass man auch den vollen Lenkeinschlag ausnutzen kann. Also das Ganze noch mal, diesmal mit etwas weniger Abstand zum Straßenrand und einem Wendemanöver fast ohne zu rangieren. Nach 2 weiteren Durchgängen mußte ich mich wegen der schweißtreibenden Arbeit des Sweatshirts entledigen. Leider hatte ich keine dünneren Handschuhe mit und mußte deshalb mit schönen warmen wasserdichten Teilen weitermachen, nur kam das Wasser heute von der anderen Seite.

Bald darauf spürte ich endlich das erste Mal die Tennisbälle unter dem Seitenwagenrad und ich wagte mich in Temporegionen jenseits der 25 km/h vor. Jetzt kamen die Bremsübungen und in der - längst fälligen! - Zigarettenpause etwas Theorie zu den fahrphysikalischen Besonderheiten beim Gespann. Damit war die Einführungsstunde abgeschlossen. Jetzt sollte noch eine Überlandfahrt stattfinden, worauf ich mich schon freute. Fühlte ich mich nach diesem Übungsexkurs doch schon recht sicher auf meinem neuen Gefährt.
Die ersten Kilometer gingen auch ganz gut, ich näherte mich verwegen Topspeed-Werten jenseits der 30 km/h. Mehr noch: Außerhalb der Ortschaften kletterte die Tachonadel, solange es geradeaus ging, teilweise über die 40 hinaus. Ein Segen, dass man die XJ sehr untertourig fahren kann: ab ca. 30 km/h war der letzte Gang drin und ich mußte mir um das Getriebe keine Gedanken machen. Ich war mit dem Fahren an sich beschäftigt genug, und die Beschleunigung in der letzten Fahrstufe war für mein Können mehr als gut ausreichend. Nach etwa 7 Kilometern war ich fertig und klatschnaß unter der Kombi.
Zigarettenpause!
Auch jetzt wieder zur Erbauung etwas Theorie: Gerade als routinierter Solofahrer muß man umdenken, da sich Lenkimpulse beim Gespann genau andersherum auswirken als gewohnt. Aha! Danach ging es für meine Verhältnisse recht flott weiter: Auf dem Tacho wurde die 50 in Angriff genommen. Aber der Geschwindigkeitsrausch war schnell vorbei. Meine Konzentration ließ irgendwie immer mehr nach, ich wünschte mir schon wieder eine Pause (normalerweise verteilen sich so viele Pausen auf eine Strecke von 800 km). Zum Glück fuhren wir sehr verlassene Landstraßen und hinter mir war ja noch das Auto mit Warnblinklicht. (Originalzitat aus dem Begleitfahrzeug: "Du sitzt auf der Maschine wie ein Aff' auf dem Schleifstein, wie ein verdrehtes Fragezeichen.") Uli merkte meine Probleme und steuerte gleich eine Bushaltestelle zum Pausieren an. Froh, dass ich mich wieder ausruhen konnte steuerte ich auch darauf zu. Plötzlich sah ich die Regenrinne, die die Fahrbahn von der Haltestelle trennte. Ein kurze Ausweichbewegung und - hoppla, schon stand ich wieder einmal quer zur Fahrbahn. Jetzt hätte ich rückwärts in die Bushaltestelle hineinfahren können. Doch in Ermangelung eines Rückwärtsganges bedurfte es einiger schweißtreibender Rangierarbeit, bis ich endlich die verdiente Pause genießen konnte. Zu meinen Fauxpas meinte der Uli, das wären meine Soloreflexe, ich müsse konzentriert daran trainieren, dass ich sie auf dem Gespann weg lasse. Aha!

Mit den Worten: "Jetzt sind es nur noch 4 Kilometer!" ging es wieder weiter. Zu meiner Freude fing es auch noch zu regnen an. Es wurden die längsten 4 Kilometer meines Lebens, ich zählte die Hundertmeter-Marken auf dem Tacho mit. Was bei meinem Tempo, das sich langsam bei flotter Schrittgeschwindigkeit einpendelte, kein Problem war . Nach ungefähr 20 Minuten waren wir endlich wieder bei Uli auf dem Hof und ich konnte mein neu erworbenes Gespann abstellen. Wir vereinbarten, dass Uli mir das Fahrzeug in der kommenden Woche mit frischem TÜV per Hänger frei Haus liefert. Prima. Das einzige, was mir noch schlaflose Nächte bereitete, war die Frage, wer das Gespann in die Tiefgarage fährt. Wo doch die Einfahrt soooo steil und soooo schmal ist. Wenn keiner daheim ist, der dem Uli die Garage aufschließt, wenn er das Gespann bringt..... Doch meine Befürchtungen waren umsonst, da meine Freundin zu Hause war. Als ich kam, stand das Gespann mit frischem TÜV blitzblank in der Tiefgarage. Am nächsten Tag war es zugelassen!

Dann begann das Üben in freier Wildbahn. Die erste Ausfahrt ohne Geleitschutz. Die Tiefgaragenauffahrt gelang im ersten Anlauf. Super. Ich suchte mir aus gutem Grund erst einmal Tempo-30-Straßen als Übungsstrecke. Blöd nur, dass die meistens so schmal sind, so dass ich gezwungen war, des öfteren bei Gegenverkehr anzuhalten. Doch das klappte ganz gut, ich blieb zumindest immer auf meiner Straßenseite. Nach 3 Kilometern eine Pause und dann wieder zurück. Auch die Tiefgaragenabfahrt meisterte ich souverän. Na also, es geht doch.

Am nächsten Tag wagte ich es schon, mich außerhalb des Ortsschildes zu bewegen, allerdings auf so gut wie unbefahrenen Straßen. Auch wurden die Pausen erst nach doppelter Fahrstrecke gemacht. (Kommentar aus dem Begleitfahrzeug: "Prima, rauchen gefährdet nämlich die Gesundheit!"). Jeder Tag dieser Woche brachte ein neues Erfolgserlebnis: Ich schaffte es, mich auf einer endlos geraden Strecke zaghaft an die 70 km/h heranzupirschen. Ich legte nur noch alle 20 Kilometer eine Pause ein. Und schließlich die Krönung: Das erste Überholmanöver mit dem Gespann! Es war ein Traktor, aber immerhin.

Ich fühlte mich auf dem Gefährt immer sicherer. Und es kam der Tag, an dem meine Freundin im Beiwagen Platz nahm und wir gemeinsam gemütlich zur Eisdiele tuckerten. Und siehe da, sobald jemand im Beiwagen saß, fuhr es sich eine Ecke leichter: Problemloser Geradeauslauf und rechts herum ging es auf einmal auch ganz flott. Nach einer Woche und ca. 250 Kilometern fühlte ich mich schon recht vertraut mit meinem neuen Gerät. Jetzt waren auch die ersten Tagestouren um die 100 Kilometer problemlos drin. Es folgten Überholvorgänge ohne Adrenalinstoß. Auf Landstraßen konnte ich wunderbar mitschwimmen, ohne ein Verkehrshindernis zu sein. Vor Kurven wurde das Tempo nur noch leicht reduziert!

Trotzdem wollte ich meine Fahrfähigkeiten weiter verbessern. Also buchte ich ein "Schnuppertraining" bei MOTO-Aktiv (das freilich leider erst im Oktober stattfand). Deshalb bekam ich von meiner Freundin zu meinem Geburtstag (übrigens der 33., Schnapszahl!) ein paar Gespannfahrstunden bei der Fahrschule Reindl in Germering geschenkt; höchstwahrscheinlich aus reinem Selbsterhaltungstrieb, da sie ja meine erste Performance auf 3 Rädern live miterlebt hatte und das vielleicht doch nicht die reine Offenbarung war. Auch hier mußte ich zwei weitere Wochen warten, bis endlich ein Termin zustande kam. Die Zeit nutzte ich um zu üben und zu üben: Jeden Nachmittag (ich hatte zum Glück Nachtschicht) ein immer ausgedehnterer Turn über Landstraßen mit wenig Verkehr, abends dann zur Eisdiele und am Wochenende ein Trip durch Oberbayern.

So fuhr ich frohgemut Anfang August und mit immerhin schon 1.000 Kilometern Erfahrung zu meiner 1. Fahrstunde nach 15 Jahren. Der Fahrlehrer und ich starteten jeder mit seinem Gespann Richtung Übungsplatz, ich voller Elan voraus. Und es kam, wie es kommen mußte: ich mußte auf dem Gelände kurz auf meinen Instruktor warten , der auch bald eintraf und mir erklärte, dass er als Fahrlehrer sich doch an einige Regeln wie z.B. Abbbiegeverbote und Bremsen am Fußgängerüberwegen zu halten habe. Um meine Euphorie etwas einzubremsen, fingen wir dann an: Kreise, Achter fahren, mit und ohne Beifahrer. Dann etwas Theorie. Dann neuer Parcour: Slalom, Brems- und Ausweichübungen. Ich kam zwar wieder ganz schön ins Schwitzen, aber es war kein Vergleich mehr mit den ersten Fahrübungen auf dem Gespann. Es machte viel mehr Spaß. Ich stellte fest, dass es unwahrscheinlich viel Kraft kostet, einen Kreis rechts herum so lange zu fahren , bis der Beiwagen hochkam und ihn dann oben zu halten, ohne die Kreisbahn zu verlassen. Aber ich schaffte es!!!

Nachdem alles ganz zur Zufriedenheit meines Lehrers ausgefallen war, die nächste Übung: Beiwagenrad auf dem Randstein, Zugmaschine oben. So nah wie möglich am Rand mit dem Beiwagen zu fahren und durch die engstmögliche Gasse zu düsen, ohne dauernd zur Seite zu schauen. Zum Abschluß des Ganzen stand nun noch eine Überlandtour auf dem Programm. Mal ich voraus, mal hinterher. Zu meiner Überraschung florierte es ganz gut, was auch darauf zurückzuführen war, dass sich die Route weitestgehend mit meinen täglichen Übungsfahrten deckte und ich inzwischen jeden Kiesel der Strecke persönlich kannte. Ich wurde auch noch darauf hingewiesen, dass es zwar löblich sei, so weit rechts wie nur möglich zu fahren, doch aus Rücksicht auf einen eventuellen Bootsinsassen (Anmerkung: oder Insassin!) man mit dem Beiwagen nicht unbedingt versuchen sollte, jedes Schlagloch der Fahrbahnbegrenzung mitzunehmen. (Anmerkung: Eben, sonst gibt's blaue Flecken!!!)

Ende August dann ein erstes gespanntechnisches Highlight: Superbike-WM am A1-Ring in Kärnten. Ich hatte etwas Bammel vor der Reise, war doch die einfache Strecke schon 400 Kilometer, darunter sogar Paßstraßen. Und das mit Beifahrerin und Gepäck. Würden 1.500 km Fahrpraxis ausreichen oder würde ich nach halber Strecke entkräftet aufgeben (oder endgültig zum Kettenraucher werden)? Fragen über Fragen....
Am Freitagabend wurde eingepackt: Werkzeug reichlich, alle möglichen Ersatzteile, welche ich von meiner Solo-XJ schon parat hatte, Reservekanister, Luftpumpe und und und - man hat ja Platz. Dazu mein Privatgepäck, das meiner Freundin ("Wir haben ja Platz, oder?") und etwas Wegzehrung und und und. Was soll ich sagen, der Kofferraum war gerammelt voll, einiges wurde sogar noch im Boot verstaut, gerade, dass ich nicht noch eine Gepäckrolle aufschnallen mußte. Von wegen, wir haben ja Platz. Zum Glück zelten wir diesmal nicht, sonst wäre es schon eng geworden (Anmerkung aus dem Boot: "Es gibt Anhänger").

Am Samstagvormittag ging die große Fahrt dann los. Erstmal die Salzburger-Autobahn. Da lernte man auch die Nachteile eines Gespannes kennen: bei Stau ist und bleibt man mittendrin. Aber kurz hinter Holzkirchen war dann freie Fahrt, so dass ich versuchen konnte, die Höchstgeschwindigkeit auszuloten. Bei knapp 160 km/h ließ ich es gut sein, es war einfach schon sehr laut und es kamen böse Blicke aus dem Beiboot (Kommentare gingen im allgemeinen Lärm unter, ein Plus des Gespanns). Außerdem bewegte sich die Benzinanzeige annähernd mit der Geschwindigkeit einer Tachonadel Richtung "Leer".
So pendelte sich die ideale Reisegeschwindigkeit bei 120 km/h ein, was für ein zügiges Vorwärtskommen ausreichte und auch dem Verbrauch, sprich der Reisekasse, zu Gute kam.

Normalerweise hätte ich Salzburg gerne auf der Autobahn umfahren, jedoch durch die "Pickerlregelung" ist das gratis nicht mehr möglich und da ich dem "krummbeinigen, diebischen Bergvolk" keinen Schilling mehr als nötig zukommen lassen wollte, mußte es eben auf Landstraßen gehen. Ab Freilassing also Landstraße nach Bad Ischl und über die Pötschenhöhe Richtung Liezen. Irgendwo dazwischen die erste Kaffeepause. Ich war direkt verwundert, dass es bisher so gut klappte: keine Zigaretten- oder Erholungspausen, nur die nötigen Zwischenstopps, um kurz auf der Karte nachzuschauen.

Danach über die Triebener Tauern. Es wurde ernst. Die erste richtige Paßstraße auf drei Rädern: Ich mußte die Fuhre ganz schön drehen, um die Steigungen zu überwinden, vorbei war es mit dem schaltfaulen Fahren. Doch oben angekommen wurde es wieder relaxter: einfach rollen lassen. Es war echt ein Genuß, wie problemlos das Gespann ins Tal glitt. Keine Hektik, kein Streß und diese idyllische Ruhe - abgesehen von seltsamen Geräuschen aus dem Boot, wenn wir uns einer Kehre näherten. Es erforderte kaum Kraft, um recht flott im Verkehr mitzuschwimmen. Deswegen war ich etwas enttäuscht, als wir unten und schon fast am Ziel waren. Es hätte so noch viel länger gehen können (Kommentar aus dem Boot: "Und wo befinden sich bitte die Spucktüten?")

In dem telefonisch reservierten Quartier in der Nähe von Zeltweg wurde uns dann mitgeteilt, dass wir ungefragt umquartiert wurden, weil das Zimmer für eine größere Reisegruppe benötigt wurde. "Jedes Jahr dasselbe mit diesen geldgierigen Wirtsleuten", dachte ich mir, aber das ist eine andere Geschichte.

Leider regnete es am nächsten Tag, was der Spannung und dem Spaß an der Rennstrecke aber keinen Abbruch tat. Zumal seit diesem Jahr auch die Gespanne im Rahmen der Super-Bike WM über den A1-Ring fliegen. Nach einem gelungenem Renntag ging's wieder Richtung Heimat. Die Route sollte auf einer anderen Strecke zurückführen und durfte gern etwas länger sein, da uns der ganze nächste Tag zur Rückreise zur Verfügung stand.

Ging es am Anfang noch recht flott vorwärts, so war nach knapp 30 Kilometern die Luft raus. Auf diesen regennassen Straßen hatte ich überhaupt kein gutes Gefühl mehr und wir kamen immer langsamer voran. Erst mal wieder Kaffeepause! Danach regnete es zwar bei weiten nicht mehr so stark, doch die Sicht wurde immer schlechter. Also runter vom Bock, ins nächste Hotel und am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder etwas besser aus. Als nächstes stand der Radstädter-Tauernpaß auf dem Programm. Trotz nasser Fahrbahn gelang mir der Gipfelsturm einigermaßen gut. Einige Autos hinter mir wären vielleicht gerne schneller gefahren, aber die hatten eben Pech. Abwärts ging ich es noch etwas gemütlicher an, was die Fahrer hinter mir irgendwie nervös machte. Sie drängelten. Das machte mich nervös. "Was soll's", dachte ich, holte tief Luft und gab Stoff. Und siehe da, es klappte besser als befürchtet. (Zeit für die Sozia, das Mittagsschläfchen zu beenden!) Ich tat mich um die Kurven herum mit höherem Tempo leichter als vorher und die Autoschlange hinter mir wurde im Rückspiegel immer kleiner.

Jetzt machte es so richtig Spaß. Die Strecke führte über verkehrsarme Landstraßen weiter wieder zurück nach Deutschland. Nach ausgiebiger Mittagspause rollten wir am späten Nachmittag wieder in die heimische Garage. Die erste große Tour war gelungen, ein super Gefühl.

Eine Woche später sollte ich das nächste Aha-Erlebniss haben: Unterwegs auf einer Feierabendrunde über wenig befahrene Landstraßen kam mir aus einer Linkskurve ein Auto mit quietschenden Reifen zur Hälfte auf meiner Fahrbahn entgegen. Also so schnell wie möglich nach rechts, aber bloß nicht in den Graben, und schon war die kritische Situation gemeistert. Meine Freundin im Boot ist wohl noch mehr erschrocken als ich (Kommentar nicht druckreif!!). Doch ich hatte im Gespann das erste mal reflexartig richtig reagiert.

Anfang Oktober stand dann auch der Moto-Aktiv-Lehrgang auf meinem Trainings-Plan. Da die Temperaturen nicht mehr sehr hoch sein würden, montierte ich provisorisch eine Sitzheizung ins Beiboot, um die weite Strecke nach Marburg von 600 Kilometern einfach meiner Freundin so angenehm wie möglich zu gestalten (Kommentar: Was tut man nicht alles für fahrdynamischen Ballast!). Wieder einmal wurde das Gespann vollgepackt, doch diesmal auch noch mit Schlafsäcken und Thermokleidung, so dass es platzmäßig eng wurde.

Die Kilometer über die Autobahn zogen sich ganz schön hin, da es zum Schluß stockfinster war und wie aus Kübeln schüttete. Ich konnte die Spurrillen nicht mehr rechtzeitig erkennen, auf die das Gespann recht empfindlich reagiert, deshalb war die Fahrt sehr unruhig und wir kamen nur noch mit LKW-Geschwindigkeit vorwärts. Als endlich die Autobahn hinter uns war, schlug die Uhr schon halb neun. Auf Grund einer Umleitung brauchten wir für die restlichen 45 Kilometer noch gut eine Stunde. Und als wir endlich in Marburg ankamen, schrie meine Freundin sofort beim ersten Hotel nach einem Stopp. Während sie hinter meinem Rücken ein Zimmer buchte, machte ich mich mit den Schlafsäcken und Thermoklamotten auf die Suche nach dem Moto-Aktiv-Gästehaus, welches etwas außerhalb lag. Dort waren die restlichen Kursteilnehmer schon zum gemütlichen Teil übergegangen, als ich endlich eintraf. Ich wurde sofort in die fröhliche Runde aufgenommen und wir plauderten noch bis spät in die Nacht.

Da am nächsten Tag das Wetter auch nicht besonders war, beschloß meine Freundin, gleich mit dem Zug zurückzufahren, da sie keine Lust hatte, zwei Tage frierend auf dem Übungsgelände in der Nässe rumzustehen. (Kommentar: "So schön ist Gespannfahren dann auch wieder nicht".)

Nach dem Frühstück war als erstes zwei Stunden Theorie angesagt. Danach wurde zum Übungsplatz, der 25 Kilometer entfernt lag, durchgestartet. Die beiden Instruktoren mit ihren Gespannen vorweg, ein LKW mit den Übungsgespannen für die anderen acht Teilnehmer, und ich mittendrin.

Dann ging's los: Die ersten Übungen begannen, und ich war überrascht, wie leicht mir die Umstellung auf die MZ-Übungsgespanne fiel. Slalom, Achter-und Kreisbahnen, mit dem Beiboot über eine Wippe zirkeln, alles war dabei. Da dieser Lehrgang als Gespannschnupperkurs ausgeschrieben war, fühlte ich mich zu keinem Zeitpunkt überfordert. Ich hatte den meisten auch schon einiges an Übung voraus, denn da waren richtige Anfänger dabei. Langweilig war es trotzdem nicht. Bei einigen Übungen konnte ich auch mit meinem eigenen Gespann und denen der Instruktoren fahren, was ich sehr gut fand. Bekommt man doch so einen Eindruck, was es auf dem Gespannsektor so alles gibt - und vor allem, wie es sich fährt.

Nach Erfüllung des Tagessolls ging es wieder ins Gästehaus und zum erholsameren Teil zurück. Wir ratschten noch bis spät in die Nacht, vor allem natürlich über Gespanne. Am nächsten Tag stand wieder Kreisfahren an. Doch diesmal mußte wir einen kompletten Kreis rechts herum fahren - mit Beiwagen oben. Nach einiger Übung klappte es ganz gut, es war allerdings nicht ganz einfach. Das Gelände war minimal abschüssig, so dass man nicht mit Konstantgas fahren konnte. Auch tat ich mich mit meinem Gespann wesentlich leichter als mit den Übungsgespannen. Meine Fuhre lag wesentlich ruhiger und erforderte weniger Lenkkräfte. Die Vorteile einer Schwinge gegenüber der Telegabel traten hier sehr deutlich hervor. Dann das Ganze andersherum (Kommentar: "Motorrad oben???"). Links herum ging's leichter. Wir wurden vom Instruktor rechtzeitig gewarnt, wenn wir flott genug waren. Denn linksherum ist der Grenzbereich zwar später erreicht, aber dann ohne Vorwarnung. Das zu demonstrieren blieb dem Instruktor vorbehalten, der dem drohenden Überschlag durch blitzartiges Gegenlenken zu verhindern wußte.

Nach einer Mittagspause ging es weiter mit Bremsübungen. Da der Platz groß genug war, hatte ich auch keine Hemmungen, mich bis zur Blockier-und Rutschgrenze vorzutasten. So fand ich heraus, dass ich meine Bremsanlage bisher nur zu einem Bruchteil genutzt habe. Hat schon was, so ein Kurs. Danach ging es noch mal zurück ins Gästehaus, wo alle Teilnehmer nach Abschlußaussprache mit ein paar weiteren Tips und einer Urkunde entlassen wurden.

Da es noch hell war, beschloß ich, nicht gleich auf die Autobahn zu fahren, sondern über Landstraßen loszudüsen. Es machte jetzt noch mehr Laune, da ich mich jetzt noch sicherer bewegte. Bei Fulda kreuzte ich die Autobahn, doch in meiner Euphorie blieb ich weiter auf der Landstraße. Das rächte sich. Es wurde nämlich dunkel und es fing heftig zu regnen an. Was gibt es Schöneres, als unbekannte, kurvige Sträßchen bei Nacht und Platzregen unter die Räder zu nehmen? So brauchte ich für die letzten 40 Kilometer bis zur nächsten Autobahnauffahrt eine geschlagene Stunde, in der ich mein ganzes Schimpfwortrepertoir geistig passieren ließ.
Endlich auf dem Highway angekommen, besserte sich meine Laune schlagartig, es ging zügig voran und es regnete nicht mehr. Mit nur einer weiteren Tank- und Zigarettenpause erreichte ich spät abends heimatliche Gefilde. Zufrieden stellte ich fest, dass Gespannfahren inzwischen für mich eine ganz normale Sache geworden ist.


Nun steht das gute Stück seit Mitte November gut verhüllt in der Garage und wartet auf die nächste Fahrt. Mir ist es einfach zu schade, um es dem Streusalz auf den Straßen auszusetzen. Aber es soll doch auch reine Wintergespanne geben? Vielleicht sollte ich mal wieder in der Zeitung blättern....

Fazit: Wen der Gespannvirus erst einmal befallen hat, der kommt von diesem asymmetrischen Fahrspaß einfach nicht mehr weg.