Colour der Gespannfahrer Bayern Abgase im
Seitenwagen


Viele haben es schon mal erlebt, die Kinder im Seitenwagen mitnehmen, besonders wenn die Kinder im Seitenwagen alleine sitzen: Das Kind ist eingeschlafen. Naja, denkt man sich, das monotone Fahrgeräusch, und auf langen Strecken passiert dann nichts, da ist es für so ein Kind schon langweilig. Da ist es halt eingeschlafen. Unter Umständen hat es aber ganz andere Ursachen, daß gerade Kinder im Seitenwagen relativ schnell einschlafen. Es will hier keiner Panik machen und irgendwelche Ausflüge mit Familie und Gespann vermiesen, aber es gibt Erfahrungen, die einfach weitergegeben werden sollten.

Das Problem

Ein grundsätzliches Problem sind Seitenwägen mit Scheiben. So sehr die Scheibe den Passagier auch vor widrigen Witterungseinflüssen und Zugluft schützt, es entsteht immer ein Sog hinter der Scheibe, sobald sich das Gespann in Bewegung setzt. Und wenn dann noch der Auspuff oder ein Endrohr bei Mehrzylindermaschinen zwischen Motorrad und Seitenwagen liegt, ist das Problem meist schon da: Die Abgase des eigenen Motorrads werden hinter die Scheibe gesogen. Und statt des frischen Fahrtwinds kriegt der Passagier die Abgase als Atemluft.

Ein Seitenwagen ist, abgesehen von Lastenseitenwägen, serienmäßig für den Transport eines erwachsenen Mitfahrers zugeschnitten. Und auch die Zubehörteile wie eben die Scheibe sind für einen durchschnittlich großen Erwachsenen konstruiert. Kinder sind aber nicht so groß wie Erwachsene. Das heißt, wenn der Erwachsene von den Abgasen noch nicht viel mitkriegt außer vielleicht dem unangenehmen Gestank, kann es für Kinder schon problematisch werden. Der größere Erwachsene hat nämlich eine andere Kopfhöhe und kriegt meist trotz Scheibe noch den einen oder anderen Frischluftzug mit, während das Kind vollständig im Windschatten der Scheibe sitzt.

Verschiedene Messungen haben ergeben, daß bei ungünstigen Verhältnissen die Kohlenmonoxid-Konzentration im Bereich hinter der Scheibe Werte annehmen kann, die als gefährlich einzustufen sind. Verschärfend kommt hinzu, daß, wenn das Kind mal eingeschlafen ist, die Atmung von Haus aus noch flacher wird und die Sauerstoffversorgung dann eh schlechter wird. Wenn dann der kleine Mitfahrer auch noch so im Seitenwagen zusammensackt, daß die Atmung zusätzlich erschwert wird, kann das für das Kind nicht mehr gut sein.

Es sollen die Fahrer großer Gespanne mit teuren Seitenwägen jetzt nicht verächtlich auf die Fahrer einer Jawa oder einer MZ herabsehen, weil da ja alles viel billiger gemacht wurde und weil ja bei einem Gespann für 20.000 DM oder mehr das ja alles nicht passieren kann. Es spielt leider keine große Rolle, wie viel Geld man für sein Dreirad hingelegt hat. Das Problem ist grundsätzlicher Natur.

Einge Lösungsideen

Als erstes hilft es schon mal ein bißchen, eine Testfahrt zu absolvieren mit einem erwachsenen Passagier im Boot, der versucht, eine Zeit lang den Kopf mal in der Höhe des Kopfes seines Kindes zu halten. Wenn dann schon der Gestank nach Abgasen im Boot beim Fahren unangenehm wird, ist Vorsicht geboten.

Gespanne mit Seitenwagen ohne Scheibe haben in der Regel keine Probleme dieser Art. Insbesondere Endurogespanne mit gänzlich offenem Seitenwagen kennen dieses Problem überhaupt nicht. Aber wer will schon ein Kind auf größeren Fahrten auf (nicht in) einem Cross-Seitenwagen transportieren.

Gespanne, bei denen der Auspuff nicht zwischen Maschine und Seitenwagen liegt, haben auch weniger Probleme dieser Art. Meist werden die Abgase, wenn sie links von der Maschine (bei Seitenwagen auf der rechten Seite) den Auspuff verlassen, durch den Fahrtwind so verwirbelt, daß man im Seitenwagen nicht belästigt wird.

Um ganz sichergehen zu können, ob die Kohlenmonoxid-Konzentration im Seitenwagen hinter der Scheibe ein Problem werden kann, hilft eigentlich nur eine Messung. Einen ersten Hinweis kann man erhalten, wenn man immer wieder erlebt, daß das Kind im Seitenwagen einschläft, wenn man, soweit möglich, mal eine Ausfahrt ohne Scheibe macht. Bei entsprechendem Wetter und guter Kleidung ist das schon mal drin, auch mit kleineren Kindern. Wenn der Effekt wiederholt dann nicht mehr auftritt, daß Kind aber mit der Scheibe sofort wieder einschläft, sollten die Alarmglocken läuten.

Die einfachste Möglichkeit ist bei entsprechendem Wetter dann das Fahren ohne Scheibe. Hier muß aber zum ersten der TÜV mitspielen, zum anderen ist aber dann natürlich auch der Schutz durch die Scheibe weg.

Die zweite Möglichkeit ist, eventuell die Scheibe ein Stück weit zu kürzen. Da manche Scheiben nicht eintragungspflichtig sind, gibt es hier gute und preiswerte Möglichkeiten. Lieber sitzt der Erwachsene etwas ungeschützter, dafür aber bekommt das Kind frische Luft. Diese Möglichkeit geht aber nur, wenn die Scheibe nicht Teil eines Verdecks ist.

Eine weitere Möglichkeit ist das Umlenken der Abgase. Hier wurden schon einige Konstruktionen gesehen und ausprobiert. Relativ einfach, aber nicht schön anzusehen ist der Heizungsschlauch aus dem Lkw, der über den Auspuff geschoben wird und dann so verlegt wird, daß die Abgase vom Seitenwagen auf die andere Seite der Maschine geleitet werden. Zu sowas gibt der TÜV in der Regel keinen Segen, der optische Eindruck ist bescheiden, und wenn der Schlauch zu lang ist oder zu verwinkelt geführt wird, kann es zu einem Rückstau der Abgase führen. Verbunden damit ist ein entsprechender Leistungsverlust, der Motor läuft nicht mehr rund. Die Konstruktion ist aber dafür leicht an- und wieder abbaubar.

Mit TÜV-Segen wurde folgende Konstruktion installiert:
An einer MZ, deren Auspuff ja zwischen Maschine und Seitenwagen liegt, wurde ein etwa 3 cm langes Rohr mit einem Durchmesser von etwa 40 mm so angebracht, daß es als Verlängerung des Auspuffs diente. (Das Rohr war auf einem Ring aufgeschweißt, sodaß man es auch anschrauben konnte). Wichtig hierbei ist, daß der Rohdurchmesser um einiges größer ist als die Auslaßöffnung des Auspuffs.
Auf dieses Stück Rohr wird dann eine Auspuffschelle montiert, wie man sie im Autozubehörhandel für alle gängigen Automodelle erhält. Es handelt sich um kurze, meist verchromte Rohre in Form des Auspuffendstücks, die über den eigentliche Auspuff des Autos geschoben und dann verschraubt werden. Dabei ist darauf zu achten, daß man ein Modell für ein Auto mit gekrümmtem Endrohr nimmt (z.B. Opel Kadett, Opel Omega A). Diese Auspuffschelle wird nun so auf das angeschraubte Rohrstück montiert, daß die Abgase weg vom Seitenwagen hinter das Hinterrad geleitet werden. Das Ergebnis war verblüffend. Selbst der Erwachsene im Boot konnte bestätigen, daß der Abgasgestank erheblich abnahm, das Kind blieb auch bei längeren Fahrten wach.
Hierbei handelt es sich um eine "Veränderung der Abgasanlage", wie es im TÜV-Deutsch so schön hieß. Daher mußte das ganze im Kfz-Brief (und dann natürlich auch im Kfz-Schein) eingetragen werden. Mit entsprechenden Argumenten kann man dem TÜV sowas aber verkaufen.
Die Konstruktion eignet sich vom Prinzip her auch für Motorräder anderer Marken. Die Idee an sich ist einfach und funktioniert.

Unter Umständen ragt nun aber der Auspuff, je nach Konstruktion des Motorrrads, mit dieser Verlängerung über die Fahrzeugumrisse hinaus. Es kann daher sein, daß der TÜV hier Abhilfe verlangt. Da hilft es oft schon, hinten am Seitenwagen einen Gepäckträger zu montieren, damit die Fahrzeugumrisse sich entsprechend verändern. In einem Fall hat sich der TÜV sogar mit dem Anbringen eines Bügels in Form eines verchromten Badewannengriffs zufrieden gegeben. Hauptsache, der Auspuff ragt nicht so mutterseelenallein da hinten raus.

Eine Bitte

Natürlich gibt es unter den Gespannfahrern viele findige Köpfe, die sich über alle möglichen Probleme schon Gedanken gemacht haben. Und bestimmt gibt es auch ganz tolle Lösungen, wie man dem Problem mit den Abgasen im Seitenwagen zu Leibe rückt. Daher eine Bitte:

Jeder, der sich mit dem Problem schon mal beschäftigt hat und irgendeine Lösung gefunden hat, soll uns doch bitte Bescheid geben, wie er der Sache Herr geworden ist. Werden hier Tips veröffentlicht, so wird der Name des Autors, seine E-Mail-Adresse oder seine Homepage auf Wunsch auch gerne veröffentlicht. Wir sind der Meinung, daß das Thema so wichtig ist, daß wir gerne auf die Hilfe anderer zurückgreifen.

Keine Panik!

Wie gesagt, keinem soll der Ausflug der Familie im Gespann hier vermiest werden. Jeder kennt sein Gespann, das Verhalten seiner Kinder und die Konstruktion einer Scheibe am eigenen Boot am besten. Aber Gespräche mit Gespannfahrern, auch solchen, die schon viele Jahre fahren, haben immer wieder gezeigt, daß sich viele des Problems gar nicht bewußt sind. Es soll auch keine Panik gemacht werden, viele von uns fahren mit Kindern im Seitenwagen. Es soll aber hier ein bißchen Bewußtsein geschaffen werden für das grundsätzliche Problem. Und der beste Schutz für die Kinder vor dem Einschlafen, egal ob wegen der Abgase oder wegen der Langeweile, ist immer noch das Pausenmachen. Da können die Kinder nicht nur ihre Füße vertreten, sondern auch mal wieder ein Stück toben und richtig "durchatmen".

Und nochmals: Wer einen Tip hat, rührt sich bitte bei uns! Alles wird gelesen und beantwortet.