Colour der Gespannfahrer Bayern Wir wollen
alle mit!!


Nachfolgender Artikel erschien in der Zeitschrift MOTORRAD-GESPANNE, Heft 57, Mai/Juni 2000. Er wurde vom Ersteller dieser Homepage geschrieben, die Fotos stammen vom Chefredakteur Martin Franitza.




Alles fing mit diesem dummen Spruch an. Und zum Schluss wurde aus einer alten Solo-MZ ein Familiengespann


...und los geht´s!

Wenn man als Student Motorrad fährt, dann muss das Motorrad vor allem eines sein: Billig! Und nachdem es mir meine Honda CB 125 1980 in Einzelteilen um die Ohren gehauen hat, musste ein Ersatzmotorrad her. Ich zog also mit wenig Geld von Händler zu Händler. Bei einem Suzukihändler rutschte mir dann der entscheidende Satz heraus: "Zur Not würde ich auch eine MZ nehmen!" Diese Motorräder hatten damals, als sie noch von Neckermann im Katalog angeboten wurden, einen entsprechend schlechten Ruf. Ein älterer Herr wollte kurz zuvor seine MZ in Zahlung geben. Die Herren von Suzuki wollten das Geschäft nicht machen, ich bekam aber die Adresse. Und nach einem kurzen Besuch war ich stolzer Besitzer einer MZ TS 250, Baujahr 1976. 27.000 km zeigte der Tacho an, das Fahrzeug stand da wie aus dem Laden, und zwei große Kisten mit Ersatzteilen gab es auch noch dazu. Ich war richtig glücklich.
Ein paar Aufkleber auf dem Seitendeckel des Motorrads machten mich auf ein MZ-Treffen aufmerksam, das der Vorbesitzer wohl besucht hatte. Ich glaubte es nicht, aber es gab anscheinend wirklich so viele MZ-Fahrer, dass sich ein Markentreffen rentierte. Also machte ich mich kundig, wann und wo das nächste Treffen stattfand und erschien 1981 auf meinem ersten MZ-Treffen. Und was musste ich voller Neid feststellen? So viele MZ-Fahrer hatten einen Seitenwagen, nur ich nicht. Während ich sehen musste, wie ich mein Gepäck in die Koffer brachte, hatten die Gespannfahrer Grill und Campingstuhl dabei. Da reifte der Entschluss, aus der Solomaschine ein Gespann zu machen. Doch zunächst gab es ein anderes Problem, die Sitzbank der TS 250. So gut die Idee mit dem Werkzeugfach in der Sitzbank auch sein mag, dem Sitzkomfort war dies mehr als abträglich. Schon nach wenigen Kilometern war die Sitzbank so weit durchgesessen, dass der Mitfahrer nur noch leiden konnte. Ein Rahmen in der Größe der Sitzbank geschweißt, zwei Schwingsättel vom Flohmarkt drauf, und für nicht mal 100,--DM war das Problem gelöst.



Noch reicht der Platz für die beiden Kinder im Boot.
Wehe, wenn sie größer werden!


Und der Seitenwagen?
"Für den Gespannbetrieb nicht geeignet!" stand im Fahrzeugbrief. Ich hatte ja nicht das Modell TS 250/1 erworben, sondern das Vorgängermodell mit der 32mm-Gabel und dem Viergangmotor. Ein Anruf bei MZ in Zschopau in der damals noch real existierenden DDR brachte dann die Erlösung: Ich erhielt als Privatperson wirklich die ersehnte Unbedenklichkeitsbescheinigung. Außer einem Lenkungsdämpfer, einer anderen Schwinge und einem neuen Schwingenbolzen waren keine Änderungen verlangt. Also besorgte ich mir einen gebrauchten MZ-Seitenwagen und die entsprechenden Anbauteile. Ein Bekannter, selbst Besitzer eines MZ-Gespanns, half bei der Montage. Ich selbst saß bis zu diesem Zeitpunkt noch nie auf einem Gespann, und mein Bekannter hatte wohl noch nie selbst Hand an sein Gespann gelegt. Auf jeden Fall waren so entscheidende Dinge wie Sturz und Vorspur kein Thema für uns. Alle Teile rechtwinklig zusammengeschraubt, und los ging es. Nachdem mir die MZ bis zu diesem Zeitpunkt schon 3 Jahre treue Dienste geleistet hatte, meinte ich, das Teil zu kennen. Tipps zum Gespannfahren wurden da nur als hinderlich empfunden. Die Landstraße machte eine leichte Kurve, das Gespann aber nicht. Da half es auch nicht, sich in die Kurve zu legen. Ich fuhr mit dem Dreirad zwischen zwei Straßenpfosten hindurch in den Acker und stand dann erst mal. Sieh da, Gespannfahren ist doch was anderes als Motorrad fahren. Wider Erwarten bekam ich das ganze dann doch in den Griff, und in all den Jahren lernte ich den Spaß am Gespannfahren kennen!



Der Heckkoffer dient als Gepäckraum.


Nun bietet sich die MZ aufgrund ihrer einfachen Bauweise an, verschiedene Umbauten vorzunehmen. Und so unterlag auch ich der Versuchung, das eine oder andere meinen Bedürfnissen anzupassen. Zunächst wurde das Hinterrad ersetzt durch eines mit einer 3.00x15-Felge. Der jetzige Hinterreifen 125x15 tut nun schon seit fast 30.000 km seinen Dienst, und das Profil ist immer noch ausreichend tief. Die Investition von 400 Mark (neues Rad mit Edelstahlspeichen im Tausch gegen das alte) hat sich mehr als bezahlt gemacht. Und als mir ein Bekannter dann noch eine ETZ 250 mit Unfallschaden für 200 Mark anbot, kannte die Umbauwut keine Grenzen mehr. Zunächst wurde der Motor mitsamt Lichtmaschine und Kupplung ausgetauscht. Die 180 W-Drehstromlichtmaschine mit 12 V vollbrachte im Vergleich zur alten Lichtmaschine wahre Wunder. Der Motor der TS brachte zwar im unteren Drehzahlbereich bessere Leistung, aber die paar PS mehr im ETZ-Motor machten sich schon bemerkbar. Und da die Unfallmaschine schon Scheibenbremse hatte, wurde auch gleich noch die Gabel umgebaut. Dazu reichte es, die Gabelrohre auszuwechseln. Die Gabelbrücken der TS sind zwar einige Millimeter schmaler als die der ETZ, so dass das Vorderrad jetzt etwa 5 mm außerhalb der Mitte läuft, aber das war selbst dem TÜV nur ein Schulterzucken wert.



Wer ein richtiger Fan ist, der sammelt
Aufkleber vom MZ-Treffen.


Nun noch den breiteren Reifen in der Dimension 3.50-16 statt des Originalreifens 3.00-16 eingetragen, da ich ja eh schon beim TÜV war, und die wichtigsten Umbauten waren gemacht. So dachte ich zumindest damals. Mit Scheibenbremse und 16er Rad muss man zwar beim Reifenwechsel Rad und Bremsscheibe voneinander trennen, aber das kennen auch Fahrer anderer Gespanne. Den Scheinwerfereinsatz durch einen entsprechenden H4-Einsatz auszuwechseln stellte auch keine größere Aktion dar.
Aber wie das mit den Umbauten so ist, fällt einem immer wieder was neues ein. Kaum sieht man bei einem anderen Gespann etwas sinnvolles, da fangen die grauen Zellen schon an zu überlegen, wie man das ganze selbst beim eigenen Dreirad verwirklichen kann. Da gab es doch das Gerücht, man könne aus der ETZ 250 ohne großen Aufwand eine 300er machen. Hubraum ist ja bekanntlich durch nichts zu ersetzen ist, es sei denn durch noch mehr Hubraum. So wurde also durch einen Umbausatz der Firma Kurz aus meiner MZ eine 300er, wenn auch laut Papieren nur mit 285 cm3. Aber der Leistungszuwachs war, zumindest subjektiv, beachtlich. Und die Kosten von knapp 400 Mark inklusive TÜV-Gebühren hielten sich auch in Grenzen.

Doch der interessanteste Umbau sollte erst noch folgen. Nachdem nun auch meine dritte Tochter so weit war, dass sie im Seitenwagen mitfahren konnte und wollte, musste ich mir was ausdenken. Nachdem meine Frau nur bis zu 125 cm3 fahren darf und weder den Motorradführerschein machen noch eine 125er mit Seitenwagen fahren wollte, gab es nicht mehr viele Möglichkeiten. Entweder musste ein neues Gespann her, oder die Kinder fahren nur noch abwechselnd mit mir, oder aber die MZ wird so umgebaut, dass ich drei Kinder mitnehmen kann. Ein neues Gespann mit einem entsprechend großen Seitenwagen genehmigte mir mein Finanzminister nicht, und bei schönem Wetter eines der Kinder zu Hause zu lassen, das hätte ich nicht übers Herz gebracht. Abgesehen davon hätte sich das auch keine meiner Töchter gefallen lassen. Also blieb nur noch die Möglichkeit, die MZ zu einem Viersitzer umzubauen.



Der 15''-Reifen schont die Haushaltskasse.


Nachdem auf dem Stammtisch der Gespannfahrer Bayern in München (http://www.gespannfahrer.purespace.de), den ich seit Jahren besuche, auch Werner Gottstein, ein Gespannbauer aus Puchheim bei München halbwegs regelmäßig auftaucht, wurden also Ideen gesponnen und wieder verworfen. Als erstes sollte der Kofferraum des Superelastik-Seitenwagens geopfert werden. Doch der Platz reichte nicht, und allzuviel darf man da aus Stabilitätsgründen nicht wegschneiden. Nach vorne bleibt auch nicht allzuviel Spielraum wegen der aufklappbaren Haube. Ein Dnepr- oder Ural-Seitenwagen paßt nicht auf das Gestell des MZ-Seitenwagens, und den kompletten Seitenwagen wechseln mit allen Anschlüssen, da standen wieder die Kosten im Weg.

Da kam es wie gerufen, dass Werner Gottstein das Gestell eines Velorex 700 für den Aufbau eines Endurogespanns haben wollte. Also wurde der 700er aufgeteilt: Ich erhielt das Boot, Werner das Gestell. Und nun war Phantasie gefragt. Der Originalsitz wurde um gut 20 cm nach hinten in den Kofferraum versetzt. So blieb genug Platz für die Batterie. In den Fußraum montierten wir einen Kindersitz der Marke Römer Peggy auf ein Gestell. Der hat den Vorteil, dass er wahlweise mit einem Zweipunkt- oder einem Dreipunktgurt befestigt werden kann und mit dem entsprechenden Vorderteil auch ausreichend Schutz gewährt. Für den hinteren Sitz wurde, wie für den Vordersitz auch, ein Zweipunktgurt befestigt. Ein Kindersitz der Marke Römer Vario hält hier das Kind auf dem Platz. Dieser Sitz ist speziell für die Befestigung mit einem Zweipunktgurt für Automittelsitze konzipiert.
Das ganze wurde so eingebaut, dass ich mit wenigen Handgriffen den Originalsitz wieder an seine ursprüngliche Position setzen kann. Der vordere Sitz ist mit 4 Flügelschrauben befestigt und kann ohne Werkzeug ausgebaut werden.



Es sind nur ein paar Handgriffe...


...dann ist das Gestell mit den beiden Schwingsätteln demontiert.


Nun galt es nur noch zwei Hürden zu nehmen. Zum einen musste das Boot auf das MZ-Seitenwagengestell, und dann musste der TÜV von der ganzen Konstruktion auch noch überzeugt werden. Beim MZ-Seitenwagen wird das Federbein für die Seitenwagenschwinge einfach am Blech des Bootes festgeschraubt. Hierzu reicht eine entsprechende Verstärkung des Blechs an dieser Stelle. Aber was macht man, wenn das Boot wie beim Velorex aus Kunststoff besteht? Ganz frech eine entsprechende Aufnahme für das Federbein auf die Schwinge geschweißt, hieß die Lösung. Und da das ein Fachmann machte, gab es später auch beim TÜV keine Schwierigkeiten Werner Gottstein brachte die ganze Konstruktion dann auch noch problemlos durch den TÜV, und das auch noch mit dem wahlweisen Eintrag der beiden Kindersitze. Ein umgebauter Seitengepäckträger für die Pneumantkoffer hinten am Seitenwagen mit dem entsprechenden 32-l-Koffer ist zwar kein Ersatz für den verlorenen Kofferraum, aber zumindest ein bisschen was bringen wir da auch unter, wenn wir zu viert unterwegs sind. Eine selbstgebastelte, TÜV-gesegnete Auspuffverlängerung mit Ableitung der Abgase nach links sorgt - sogar nachgemessen - für einen abgasfreien Innenraum im Seitenwagen.

Mittlerweile kann man das Boot des Velorex 700 auch ohne Gestell erhalten. Man muss also nicht mehr warten, bis zufällig jemand den Rest des Seitenwagens verwerten kann. Inklusive Regenverdeck, Lohn- und Materialkosten, TÜV-Gebühren und allem, was dazugehört, läßt sich ein MZ-Gespann für ca. 2.500 Mark vom Originalzustand zu einem Kinderwagen für zwei Kinder im Seitenwagen umbauen. Meine älteste Tochter ist alt genug, um auf dem Sozius zu fahren. Und schon hatte ich alle Kinder untergebracht. Wenn man jetzt das Originalboot mit Sitz je nach Zustand noch zu einem vernünftigen Preis verkaufen kann, lassen sich die Kosten noch weiter senken. Ein MZ-Gespann schlägt je nach Zustand mit 2.000,-- bis 3.000,--DM zu Buche. Wenn man also alles zusammenrechnet, kann man, ein bisschen Zeit und Kompromissbereitschaft vorausgesetzt, aus einer MZ TS 250 oder einer ETZ 250 inklusive Kaufpreis für 5.000 bis 6.000 Mark ein Gespann bauen, das zwei Mitfahrern auf dem Motorrad und zwei Kindern im Seitenwagen ausreichend Platz bietet. Zugegebenermaßen ist der Platz für das Kind im hinteren Teil des Seitenwagens nicht allzu üppig. Ist das Kind erst mal 9 oder 10 Jahre alt, empfiehlt es sich, es nur noch mit dem Gurt ohne den Kindersitz zu sichern. Dann reicht auch die Beinfreiheit. Auch wenn unser Familiengespann mit einem Gold Wing-Gespann nicht mithalten kann, würden weder meine Kinder noch ich tauschen wollen. Das Teil ist einfach so einzigartig, dass die Kinder selbst im Winter mitfahren wollen. Mittlerweile zeigt der Tacho auch schon über 160.000 km an. Und preiswerter geht es nun wirklich nicht mehr. Mit einer solchen Konstruktion reißt auch das Gespannfahren mit drei Kindern keine allzu großen Löcher ins Portemonnaie.

Nur ein kleines Problem hab ich noch: Nachdem ich jetzt seit kurzem zum vierten Mal Vater wurde, muss ich mir wohl doch noch was ausdenken. Mir fällt beim besten Willen nichts ein, wie man einen dreisitzigen Seitenwagen an die MZ bringt. Wenn aber mir oder einem meiner Stammtischbrüder bei den Gespannfahrern Bayern etwas dazu einfällt, wird es vielleicht wieder einen Artikel hier geben.